mehr zu: Bei den Pygmäen
Seit 2008 versucht der hier für das Gebiet zuständige Pfarrer mit weiteren Helfern, die Pygmäen in einem dafür vorgesehenen Dorf anzusiedeln. Zurzeit leben dort ca. 230 Menschen.
Die dauerhafte Ansiedlung gestaltet sich äußerst schwierig. Die Pygmäen lieben ihre Freiheit und verstehen nicht, dass man, um zu leben, arbeiten muss. Sie sind überzeugt, das ganze Land gehöre ihnen und was sie unterwegs finden, sei ihr Eigentum. Sie jagen im Naturschutzgebiet und nehmen sich von den umliegenden Feldern alles was sie brauchen. Besondere Hochachtung genießt der Dorfvorsteher. Von der Beute bekommt er als Erster. Anschließend wird alles gleichmäßig verteilt.
Die Pygmäen haben gute Pflanzenkenntnisse und heilen sich immer selbst. Auch, dass sie laut Regierung ihre Kinder im Krankenhaus gebären sollen, lehnen sie entschieden ab.
Viele von ihnen verehren noch Naturgötter. Ihre Toten wurden früher in den Bäumen aufgehängt. Erst der Pfarrer zeigte ihnen, wie man die Verstorbenen in weiße Tücher wickelt, in einen Sarg legt und beerdigt. Offensichtlich gefiel ihnen das, denn jetzt darf das der Pfarrer für sie erledigen.
Die Kinder sollten eigentlich in die Schule gehen, aber sie finden das eher lustig, tanzen und singen stattdessen und amüsieren sich über so 'komische Sachen' wie Schreiben, Lesen und Rechnen.
Bei unserem ersten Besuch im Sommer 2017 wurden wir vom Dorfvorsteher und den Bewohnern freudig begrüßt und herumgeführt. Voller Stolz zeigten sie uns ihre Behausungen, winzige, aber relativ saubere Hütten. Wir staunten nicht schlecht, dass es so gut wie keinerlei Mobiliar gab. Alles spielt sich auf dem Erdboden ab. Ist man müde, legt man sich einfach auf die Erde.
Alle Dorfbewohner, vor allem die Kinder, bestaunten uns und wollten uns anfassen.
Am Versammlungsplatz erzählten uns der Pfarrer und ein Behördenvertreter von den Schwierigkeiten bei der Umsetzung der von der Regierung erlassenen Vorschriften.
Bei dieser Gelegenheit übergaben wir die von uns mitgebrachten Säcke Reis und privat gesammelte Geldspenden.
Die Freude war riesengroß! Wie wir am nächsten Tag erfuhren, wurde der gesamte Reis noch am Abend gekocht, das Geld verteilt und die ganze Nacht durch gefeiert.
Dieser Besuch von 2017 ist uns bis heute in besonderer Erinnerung geblieben.
Zwei Jahre später, im Sommer 2019, ist leider alles ganz anders: Es ist gefährlich, als Fremder, ohne Anmeldung und Schutz, das Dorf zu besuchen. Alles, was den Bewohnern offensichtlich nicht gefällt, wird sofort angegriffen und gejagt. Inzwischen sind Alkohol und Haschischkonsum ein großes Problem geworden.
Dieses Mal begrüßen uns nur Kinder und einige Frauen. Eine von ihnen möchte uns ihre Hütte zeigen. Auf dem Weg dorthin sind ein paar Männer zu sehen, die uns mürrisch, sogar feindselig beobachten. Vor den Hütten und auf den Wegen liegen jede Menge Lumpen und Unrat. Achtung! Nicht anfassen!!! Das würde als Diebstahl ausgelegt und könnte zum Kampf führen. Die Sachen werden noch benutzt und als Eigentum verteidigt.
In die locker gebauten Hütten regnet es hinein. Gespendete Planen werden sofort wieder verkauft und in Alkohol umgesetzt. Auch das gejagte Fleisch wird verkauft, um an Alkohol zu gelangen. Schon mittags sind die meisten Männer und Frauen im Rausch.
Unsere mitgebrachten Säcke mit Reis werden dieses Mal von Helfern sichergestellt, damit sie nicht verkauft werden können. Der Reis wird dann unter Aufsicht portionsweise verteilt.
Die Kinder sind am ganzen Körper übersät mit kleinen Pocken, kratzen sich ununterbrochen und haben deshalb viele offene Wunden. Wie wir erfahren, handelt es sich um eine Blutkrankheit, hervorgerufen durch mangelhafte und falsche Ernährung. Die zur Verfügung gestellte Medizin haben die Pygmäen wieder verkauft. Als Reaktion darauf schickte das Provinzkrankenhaus Hilfskräfte, denen es gelang, die Krankheit einzudämmen. Kaum aber war die Aktion beendet, brach die Krankheit wieder aus und so kratzen sich die Kinder weiter wund.
Aber es gibt auch kleine Fortschritte. Inzwischen besuchen 49 der Bewohner regelmäßig die Gemeinde des Pfarrers. Einige von ihnen, hauptsächlich Frauen, haben Kurse absolviert.
Eine der Frauen hat ihre Hütte solide gebaut. Die Behausung ist sauber und das Dach mit Planen abgedeckt.
Ein kleiner Erfolg, und man hofft auf Nachahmer.
Eins freut den Pfarrer besonders: Bald findet eine erste Hochzeit in seiner Kirche statt. Gefeiert wird dann allerdings im Dorf.
Helga Wacker, 2020